Häwelmann

Wir fahren, deswegen fragen wir.

Der gleiche Ort, der Verbleib in der Wurzel, im gleichen Ort, Tag und Nacht im gleichen Bett – das würde vielleicht fraglos machen.

Häwelmann, das Kind im Kinderwagen, fährt mit geblähtem Segel zum Mond. Seine Fragelust bläht das Hemd, die Hose, die Windel, die als Segel dienen. Häwelmann will wissen, wer bist du, Mond?

Wer wirft seinen Schatten in dein rundes Gesicht? Wofür braucht der Mann, der bei dir wohnt, das Brennholzbündel? Wie und von woher ist der Sandmann zu dir gekommen?

„Die wahrhaft Verstehenden sind schweigsam.“[1]

Aber nicht allen reicht, was sie, die Schweigenden, wissen.

Uns, den Unwissenden, reicht nichts, weil wir zum Fahrenden Volk gehören, geschwätzig sind und im Handumdrehen wieder vergessen, was wir gerade eben noch gewusst haben.

Theorie: Schwund durch Geschwindigkeiten, die wir nicht einhalten können.

Häwelmann war besser dran. Er steuerte seinen Wagen mit strampelnden Beinen und blies mit vollen Backen, die gekräftigt waren durchs Saugen an der Brust seiner auf der Erde verbliebenen Mutter. In seinen Backen hatte Häwelmann seine Fragelust.

Aus Saugen und Blasen fand sie in Windel, in Hose und Hemd, die als Segel aufgehängt waren, den Widerstand, den sie blähen, mit dem sie das Kind in seinem sonderbaren Nachen vorantreiben konnte.

Hätte das ihm entgegenschimmernde Mondgesicht ihn nicht an seine Mutter gemahnt, Häwelmann wäre nicht zur Erde zurückgekehrt. Er hätte das gesamte Universum durchquert mit seinen Milchstraßen und glitzernden Nebeln.

Doch zurückgekehrt fuhr er fort, am Busen seiner Mutter zu schlummern und traumverloren zu saugen.


[1] Hugo von Hoffmannsthal, Poesie und Leben, in: Der Brief des Lord Chandos, 32

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