Krimsmair

Der Betrieb des Jonas Krimsmair, Betreiberjonas genannt, liegt hart an der Transitchaussee, wo sie in Serpentinen zum Pass hinaufführt. Krimsmairs Schlafkammer. Direkt auf die donnernde Straße geht’s hinaus, das abgeblätterte Fensterkreuz, unter dem die Laster mit Bananen und anderer Schmuggelware Nacht für Nacht passauf und passab donnern. Tieflader mit frisch geschlachteten Walen an Bord. Im Rotlicht der Rückleuchten sieht man den Tran auf den Asphalt hinabfließen, ein glänzendes Rinnsal, ein Faden, der sich an andere reiht. Ein Ölteppich, ein Läufer aus Schmiere und Fett, auf dem dann und wann, wie ein eingesetzter Rubin, eine achtlos von Bord geworfene Kippe erglüht.

Das kleine zweiäugige Glas, mit dem Krimsmair seit Mitternacht am Sims gestanden hat, hinter verschlossenen Scheiben, die vom Treiben der Laster zuweilen in klagenden Tönen erklirren, hängt nun an seiner Schlaufe vom Haken herab. Die Dämmerung naht und wirft ihr Licht in grauen Brocken nach drinnen. Die Scheinwerferstrahlen fingern, fahler und fahler geworden, noch immer über den Serpentinen entlang, absteigend zum Kälbertalgrund, zum Fernerpass aufsteigend. Jetzt sind sie mit bloßen Auge ganz deutlich zu sehen, die gewaltigen Hartgummipneus, die sich schwarz und von Feuchtigkeit glänzend im Frühnebel drehn, mit Rauschgift und Pressluft bis zum Bersten gefüllt. Sattelschlepper wuchten im Frachtraum Maschinen, Geschütze, heimlich montierte Stahlbrücken und Hafeneinfahrten von einer Kurve zur andren. Manchmal lugt ein Zipfel davon hervor.

Wieder eine ungeheure, weltgeschichtsträchtige Nacht kontrolliert!

Mit Schatten unter den Augen, Anflügen von Schatten an Wange und Kinn, sinkt jetzt der Betreiberjonas auf die Kante seines Bettes zurück Und während sich hinter seinem Rücken das mächtige Federbett staut, fährt er mit der Innenseite der Hand übers fliehende Kinn und hilft dann im Spiegel mit dem Rasiermesser nach, die dunklen Spuren seiner nächtlichen Wache zu tilgen. Das geht selten ohne Vergießen von Blut ab. Bartstoppeln und Seifenschaumberge landen unter Schaben und Knistern im Becken. Dazwischen rinnt es ab und zu rot. Das alles schwemmt ein kräftiger Bergwasserstrahl, den der Krimsmair per Hahn mit geübter Hand aufmacht und zudreht.

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